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Verhinderung der „doppelten Nicht-Besteuerung“ als allgemeiner Rechtsgrundsatz?

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RA/StB Dr. Maximilian Haag, LL.M., P+P Pöllath und Partners, München

RA/StB Dr. Maximilian Haag, LL.M., P+P Pöllath und Partners, München

Die Neuverhandlung von deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steht seit einigen Jahren ganz im Zeichen der Verhinderung von Steuerumgehungen. Während ältere DBA darauf abzielten, die mehrfache Besteuerung von Einkünften bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zum Schutz der Steuerpflichtigen vor übermäßiger Steuerbelastung zu vermeiden, bezwecken jüngere DBA auch die Sicherstellung einer (Mindest-)Besteuerung durch zumindest einen der beteiligten Staaten. Im grenzüberschreitenden Kontext ist diese Vorgehensweise begrüßenswert – ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass bestimmte als besteuerungswürdig empfundene Sachverhalte stets zumindest einmal der deutschen Besteuerung unterworfen werden müssen, existiert jedoch nicht.

Zunehmende Anwendung der Anrechnungsmethode im Abkommensrecht

Traditioneller Zweck der DBA ist die Beseitigung der Doppelbesteuerung von Einkünften in mehreren Ländern. Bestimmte Einkünfte werden etwa der Besteuerung durch den Quellenstaat zugewiesen, während der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte von der Besteuerung ausnimmt (Freistellungsmethode). Andere Einkünfte werden hingegen der Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat zugewiesen, wobei der Quellenstaat ein Recht zur Erhebung einer Quellensteuer behält, die der Ansässigkeitsstaat auf seine Steuer anzurechnen hat (Anrechnungsmethode). Bei der Freistellungsmethode kann es dazu kommen, dass Einkünfte gar nicht besteuert werden, wenn der Quellenstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht. Bei der Anrechnungsmethode ist eine solche „doppelte Nicht-Besteuerung“ nicht zu befürchten, da die Steueranrechnung das konkurrierende Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats nur insoweit verdrängt, wie der Quellenstaat tatsächlich eine Steuer erhebt. Die deutsche Abkommenspraxis der letzten Jahre ist deshalb dazu übergegangen, den Anwendungsbereich der Anrechnungsmethode zunehmend auszudehnen. So werden etwa im neuen DBA mit Australien der Freistellung unterliegende Einkünfte ausnahmsweise doch der Anrechnungsmethode unterstellt, wenn Australien zwar nach dem DBA ein Besteuerungsrecht hat, die betreffenden Einkünfte aber tatsächlich nicht besteuert (Art. 22 Abs. 2 Buchst. e Doppelbuchst. i).

Verhinderung der „doppelten Nicht-Besteuerung“ auch im nationalen Recht?

Die Verhinderung der „doppelten Nicht-Besteuerung“ im Kontext der DBA ist legitim. Der Steuerpflichtige bedarf des Abkommensschutzes nicht, wenn im ausländischen Staat in der konkreten Situation gar keine Steuern erhoben werden. Ein allgemeines Prinzip zur Auslegung des nationalen Steuerrechts ist die Verhinderung der „doppelten Nicht-Besteuerung“ indes nicht – insbesondere nicht bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses unterschiedlicher Steuerarten. Gleichwohl finden sich in jüngster Vergangenheit Gerichtsurteile, die die Erhebung von Schenkungsteuer u.a. darauf stützen, dass im konkreten Fall jedenfalls keine Einkommensteuer erhoben worden war.

Bundesfinanzhof vom 27.08.2014 – II R 43/12

Mit Urteil vom 27.08.2014 (DB 2014 S. 2753) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Aufnahme eines Neugesellschafters in eine ausländische Kapitalgesellschaft im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Einlage unter Verkehrswert eine Schenkung der Altgesellschafter an den Neugesellschafter darstellt und daher der Schenkungsteuer unterliegt. Die Steuerpflichtige hatte dagegen angeführt, dass Zuwendungen, die ertragsteuerlich als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) anzusehen sind, nicht der Schenkungsteuer unterliegen. Der BFH wollte sich zum Konkurrenzverhältnis zwischen vGA und Schenkungsteuer allerdings nicht äußern, weil die Steuerpflichtige nicht vorgetragen hatte, dass die zuständige Finanzbehörde im gegebenen Fall eine vGA der Ertragsbesteuerung unterworfen habe.

Finanzgericht Baden-Württemberg vom 22.04.2015 – 7 K 2471/12

Mit Urteil vom 22.04.2015 hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass satzungsgemäße Zuwendungen ausländischer Familienstiftungen an inländische Begünstigte der Schenkungsteuer unterliegen. Der Steuerpflichtige hatte vorgetragen, eine Unterwerfung satzungsgemäßer Leistungen ausländischer Stiftungen unter die deutsche Schenkungsteuer könne zur Doppelbelastung mit Schenkungsteuer und Einkommensteuer führen. Das Gericht erteilte dieser Sichtweise eine Absage, da jedenfalls die streitgegenständlichen Stiftungsleistungen weder im Ausland noch in Deutschland der Einkommensteuer unterworfen worden waren.

Konkurrenz zwischen Einkommensteuer und Schenkungsteuer

Das Konkurrenzverhältnis zwischen Einkommen- und Schenkungsteuer ist bis heute nicht abschließend durch die Rechtsprechung gelöst. Einzelne Entscheidungen der letzten Jahre zeigen lediglich, dass die Gerichte einer Doppelbelastung desselben Sachverhalts mit Ertragsteuer und Schenkungsteuer – anders als die ältere Rechtsprechung – zunehmend skeptisch gegenüberstehen. Es liegt auf der Hand, dass eine gleichzeitige Erhebung beider Steuerarten nicht zu rechtfertigen ist: Sowohl die Ertragsteuer als auch die Schenkungsteuer soll einen Zuwachs an Leistungsfähigkeit beim Steuerpflichtigen belasten – im einen Fall den Zuwachs aus dem entgeltlichen Leistungsaustausch (Markteinkommen), im anderen Fall den Zuwachs aus einem unentgeltlichen Erwerb. Bei ein und demselben Lebenssachverhalt ist der besteuerungswürdige Zuwachs an Leistungsfähigkeit aber offenkundig nur einmal gegeben und kann daher auch nur einmal der Besteuerung unterworfen werden. Anders als in den DBA lässt sich die Konkurrenz der Ertragsteuer und der Schenkungsteuer jedoch nicht durch die Entweder-Oder-Betrachtung der Anrechnungsmethode lösen, sondern es muss von vornherein klar sein, welcher Steuerart der konkrete Lebenssachverhalt unterliegt.

Fazit

Die Erhebung von Schenkungsteuer mit der Begründung, dass der im konkreten Fall vorhandene Zuwachs an Leistungsfähigkeit nicht mit Einkommensteuer belastet worden ist, widerspricht dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und erzeugt massive Rechtsunsicherheit. Angesichts der Grundrechtsrelevanz und Kriminalstrafbewehrung der Besteuerung bedarf diese besonders der Vorhersehbarkeit – der Steuerpflichtige muss wissen, welche Steuer er erklären und zahlen muss. Dafür kann es nicht darauf ankommen, ob eine andere Steuer erhoben worden ist oder nicht.


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